Nährmedium für Pilzkultur oder Musikinstrument?

Die „BILD“ Zeitung titelte im Jahr 2016:
„Schimmel im Sack - Dudelsack-Spieler (61) bläst sich tot.“

Im „Spiegel“ war zu lesen:
„Gefährliches Instrument
Tod aus dem Dudelsack“

Es gibt Dinge, über die man nicht gerne spricht - Jede/r kennt das.


Dennoch sind sie da, diese Dinge, und das leider häufiger, als wir vielleicht denken und uns eingestehen möchten.
Widmen wir uns hier dem großen und stellenweise heiß diskutierten Thema:
SCHIMMEL.
  

Spätestens zu oben genanntem Zeitpunkt rückte die Problematik der Blasinstrumenten- und Dudelsackhygiene stärker in den Fokus der Spielmänner und -frauen, bekam sie endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdient.
Mehrere Schimmelpilzarten wurden an verschiedenen Stellen im Instrument des Spielers nachgewiesen. Dieser verstarb im Oktober 2014 an Erkrankungen, die durch Schimmelpilze ausgelöst wurden.

Was ist nun dran an mordenden Sackpfeifen, wie begründet ist die Angst aus dem Hinterhalt schleichend vergiftet zu werden?


Gehen wir der Sache auf den Grund.

Was ist Schimmel überhaupt?

Schimmelpilze zählen zu den erfolgreichsten Geschöpfen der Evolution und glänzen mit extremer Artenvielfalt:
Weltweit gibt es schätzungsweise ca. 250.000 Schimmelpilzarten, bisher wurden ca. 100.000 Arten bestimmt.
Fast überall auf der Erde sind sie in für sich passenden Lebensräumen anzutreffen, sind extrem hitze- oder kältetolerant. Andere kommen mit sehr wenig Feuchtigkeit und/oder geringem Nährstoffangebot aus.

Schimmelpilze haben besonders wichtige Aufgaben in den natürlichen Kreisläufen der Ökosysteme. Sie zersetzen in der freien Natur abgestorbene Organismen und „recyceln“ Diese. Aus organischem Material wird der Natur durch Zersetzungsprozesse anorganisches Material zur Verfügung gestellt und für neues Leben zugänglich gemacht.

Wie kommt der Schimmel in den Sack?

Schimmelsporen befinden sich in der Umgebungsluft.
Um zu gedeihen, benötigen sie einen speziellen Nährboden:

Dies sind alle organischen Materialien, wie

  • Lebensmittel
  • Stoffe
  • Leim
  • Tapeten
  • Leder
  • Holz
  • Zellulose

Sie gedeihen gut beim Vorhandensein von Glucose, Maltose, Saccharose und Stärke.


Eine Sackpfeife bietet somit einen idealen Nährboden durch den Einsatz und die Verarbeitung von Holz, Leder, Dichtmittel, etc.


Allein der Zelluloseanteil von Holz beträgt ca. 50 %.

Eine weitere, wesentliche Voraussetzung für die Bildung des Schimmels in Sackpfeifen ist Nässe, bzw. eine hohe Luftfeuchtigkeit - gegeben zum Einen durch die uns umgebende Luftfeuchte, nasse Einsatzbedingungen (Regen) und natürlich, und sicher am Meisten ausschlaggebend:
Die in das mundgeblasene Instrument eingebrachte Feuchtigkeit durch Speichel und kondensierte Atemluft.

Geben wir dem Schimmel mehr Futter!

Die menschlichen Speicheldrüsen bilden bis zu 2 Liter Speichel am Tag.
Nun landet natürlich nicht die komplette Menge dieses Speichels beim Spielen in unserem Instrument, doch kann Niemand die enorme Menge an Feuchtigkeit leugnen, welche sich bei längerem Spielen im Sack einer Sackpfeife ansammelt.

Manch Eine/r kann sicher Bücher darüber schreiben.


Speichel besteht zu 99 % aus Wasser, 1% enthält alle zusätzlichen Substanzen wie:

  • Schleimstoffe (Muzine)
  • Proteine
  • Eiweiße
  • Enzyme
  • Mineralsalze
  • Immunglobuline
  • zelluläre Bestandteile z.B. abgestoßene Zellen der Mundschleimhaut (Epithelzellen)


Enthaltene Enzyme sind für eine Vorverdauung der Nahrung im Mund verantwortlich.

Außerdem befinden sich in 1 cm3 Speichel etwa 3 Milliarden Bakterien, darunter etwa mehrere hundert verschiedene Stämme.
Je nach Zusammensetzung dieser Bakterienstämme können auch aggressive Keime unter ihnen sein.

Mit unserem Speichel geben wir zu Alledem noch Reste von Nahrungsmitteln, Getränken, Genussmitteln, … in den Balg - welch ein wunderbarer Cocktail!

So mögen die Spiele beginnen!

Schimmelpilzsporen beginnen unter den richtigen Voraussetzungen zu wachsen und sich langsam auszubreiten. Sie vermehren sich zumeist ungeschlechtlich und bilden einen mehr oder weniger watteartigen Belag.

Es können große Kolonien entstehen.
Zum eigentlichen Schimmel gesellen sich nach einer gewissen Zeit verschiedene Bakterien und Mikroorganismen, wodurch sich der Schimmelbelag in unterschiedlichen Formen und Farben ausbildet. z.Bsp. schwarzer, weißer, grüner, gelber, roter Schimmel.

Nun bildet sich der Schimmel im Dudelsack in einem mehr oder weniger geschlossenen System, und hier liegt die Gefahr:

Sammeln sich Schimmelpilze in geschlossenen Bereichen, nimmt auch die Konzentration ihrer Sporen zu.
Die Ansammlung der giftigen Ausdünstungen ihrer Stoffwechselprodukte, die sogenannten Mykotoxine, nimmt ebenfalls sprunghaft zu.
Dadurch werden die Pilze zu einem gesundheitlichen Risiko:
Sporen und Mykotoxine gelangen über die Atmung und die Haut in den menschlichen Körper.
Dort herrschen naturgemäß gute Wachstumsbedingungen.
Treffen die Sporen im Körper auf ein geschwächtes Immunsystem, oder auf vorgeschädigtes Gewebe, nimmt der Pilz seine ursprüngliche Arbeit auf.


Wir erinnern uns: Zersetzung organischen Materials.

Nun ist zu sagen:

Nicht jeder Schimmelpilz ist (gleich) gefährlich!

Jedoch werden Sporen und Zellteile eines jeden Schimmelpilzes als allergen eingestuft.
Schimmelpilze wirken sensibilisierend, das heißt:
Je länger man damit in Kontakt ist, desto wahrscheinlicher wird eine allergische Reaktion.

Schimmelpilze können im Allgemeinen verantwortlich sein für:

  • Reizungen der Atemwege und Allergien, Asthma, Halskratzen, Husten
  • Lungen- und Herzkrankheiten
  • Brennende Augen
  • Infektionen
  • Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Erschöpfung
  • Hautausschläge, Pilzinfektionen, Ekzeme
  • Bauchschmerzen, Übelkeit, Verdauungsbeschwerden

    Einige Schimmelpilzarten stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen oder können zu schweren Organschäden bis hin zum Tod führen (u.a. der schwarze Schimmelpilz).

    Die Bestimmung der konkreten Schimmelart kann nicht allein aufgrund der Farbe erfolgen, es ist ein Schimmeltest erforderlich!

Hygiene ist selbstverständlich, oder doch nicht?

„Ich wusste nicht, dass ich den Dudelsack auseinandernehmen muss."
„Man hat mir nicht gesagt, dass ich aufpassen muss.“


Nun gibt es keine Ausrede mehr!



Was tun, damit sich Schimmel erst gar nicht ansiedelt?

Jedes unserer Instrumente verlässt unsere Werkstatt mit expliziten Wartungshinweisen.
Diese versenden wir auf Wunsch auch als PDF-Datei per Email.
Instrumente mit Kondensatabscheidersystem erhalten weitere, zusätzliche Wartungshinweise.
Auch stehen wir für Beratungen und Fragen immer gern telefonisch zur Verfügung.

Selbstverständlich sollte für Jede/n sein:

Das Instrument muss trocknen und atmen können!

Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um Instrumente mit Dichtmittelsack oder um Instrumente mit integriertem Kondensatabscheidersystem handelt.
Auch historische Holzblasinstrumente sind hiervon nicht ausgenommen.

Am Wichtigsten ist:

  • Egal ob 5 Minuten oder 5 Stunden: Nach dem Spielen ist das Instrument so weit wie möglich auseinander zu bauen.
  • Die Bordun(e), Spielpfeife (inkl. Stock), Blasrohr, Windkapsel sind zu entfernen und sicher abzulegen.
  • Blasrohr, Blasrohrstock, Spielpfeifenstock, Bordunstöcke auswischen.
  • Wenn möglich den Balg so aufhängen, dass überschüssige Flüssigkeit abfließen und genug Luft in den Balg eindringen kann.
  • Instrumente müssen vor dem Verstauen in Taschen / Koffern unbedingt trocknen und auslüften können!
  • Kondensatabscheidersysteme sind vor dem Ablegen der Instrumente zu entleeren. Das Lüften des Instrumentes entfällt auch hier NICHT!



Sind diese Maßnahmen unterwegs nicht oder nicht in vollem Umfang umzusetzen, dann sollten sie zumindest zu Hause erfolgen.



Was tun, wenn es doch passiert ist?

Hat sich Schimmel einmal im Holz bzw. im Sack des Instrumentes festgesetzt, ist er nur schwer bis gar nicht zu entfernen.
Man kann Bohrungen ausschleifen oder ausbohren, desinfizieren und ölen.
Befinden sich Holzteile bereits im Zustand der Zersetzung, können entsprechende Teile nur ausgetauscht werden.
Leichten Schimmel im Lederbalg kann man beseitigen, ist das Leder aber bereits angegriffen, zersetzt und der Schimmel schon außen am Balg sichtbar, ist das Austauschen des Balges empfehlenswert / notwendig.



Anmerkungen zum Dichtmittel:

  • Es hält sich die Behauptung, dass das Dichtmittel im Inneren des Balges die Feuchtigkeit aufnimmt.

Bis zu einem gewissen Grad ist das auch richtig.
Hier wäre die Voraussetzung, dass der Balg auch regelmäßig abgedichtet wird.
ABER:
Kein Dichtmittel nimmt die Menge an Flüssigkeit auf, welche beim Spielen von mehreren Stunden entsteht!


  • „Im Dichtmittel ist Säure damit der Sack nicht schimmelt.“
    Auch Dies ist nur zum Teil richtig.

Die Säure verhindert, dass das Dichtmittel an sich nicht schimmelt.
Auch hier gilt die gleiche Anmerkung:
Die Voraussetzung ist, dass der Balg auch regelmäßig abgedichtet wird.

Und es wird definitiv nicht die Flut an Faktoren ausgeschaltet, die eine Schimmelbildung begünstigen!

Zum Schluss

Die natürliche Konzentration an Mykotoxinen in der Luft stellt für gesunde Erwachsene normalerweise keine Gefahr dar.
Bei kleinen Kindern, alten und durch Krankheit geschwächten Personen scheint allerdings eine gewisse Vorsorge angebracht.
Befindet sich der Schimmel in geschlossenen Systemen, sieht es schon etwas anders aus.


Wie bei vielen anderen Dingen auch, macht die Menge das Gift.

Dies heißt nun nicht, dass es notwendig ist in Hysterie zu verfallen und alle Sackpfeifen auf Scheiterhaufen zu verbrennen.
Denn, betrachten wir die Sache einfach von folgender Seite:
Es ist nicht die Sackpfeife, die mordet.
Es ist unser innerer Schweinehund, den es zu überwinden gilt, und es obliegt einem Jeden selbst etwas
gegen den Schimmel und für sein Musikinstrument zu tun.



Es ist eure (und auch unsere) Gesundheit.